Finnland erzielte bei der jüngsten von der OECD durchgeführten PISA-Studie der Lernkompetenzen 15-Jähriger erneut die besten Ergebnisse und konnte dank hoher Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften mit den auf diesem Gebiet führenden asiatischen Schulsystemen in Hongkong (China), Japan und Korea gleichziehen. Dagegen verzeichneten einige der leistungsschwächeren Länder nur geringfügig Verbesserungen oder schnitten sogar schlechter ab, womit sich der Abstand zwischen den Ländern mit den höchsten und den niedrigsten Leistungsniveaus weiter vergrösserte. über 250 000 Schüler aus 41 Ländern nahmen an PISA 2003 teil, der zweiten Runde dieser im Dreijahreszyklus stattfindenden Erhebung. Im Rahmen dieses Tests beantworteten die Schülerinnen und Schüler in ihren Schulen Papier- und Bleistift-Aufgaben, die insgesamt zwei Stunden in Anspruch nahmen. Bei PISA 2003 lag der Schwerpunkt auf der mathematischen Grundbildung, es wurden jedoch auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Problemlösen, Naturwissenschaften und Lesekompetenz sowie ihre Lernansätze und ihre Einstellung zur Schule untersucht. Finnland, das bei PISA 2000 im Lesekompetenztest bereits die besten Ergebnisse erzielt hatte, konnte seine Spitzenposition in diesem Bereich halten und zugleich seine Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften weiter verbessern. Im Bereich Mathematik, wo der PISA-Test 2003 zu bewerten suchte, inwieweit die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, mathematische Modelle zu entwickeln und anzuwenden, um realitätsnahe Aufgaben zu lösen, und die Ergebnisse zu interpretieren, zu validieren und zu kommunizieren, zählten auch die Niederlande zu den OECD-Ländern mit den besten Ergebnissen. Die
relative Position der meisten anderen Länder blieb in PISA 2003 im
Vergleich zu PISA 2000 weitgehend unverändert, in einigen Ländern
waren jedoch deutliche Veränderungen zu beobachten. Polens Gesamtleistung
erhöhte sich nach einer umfassenden Reform des Bildungssystems im
Jahr 1999 dank grosser Steigerungen in der Gruppe der leistungsschwächeren
Schüler. Weniger ausgeprägte, aber immer noch bemerkenswerte
Verbesserungen in mindestens zwei Erhebungsbereichen wurden auch in Belgien,
Deutschland und der Tschechischen Republik verzeichnet.
Es
gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel: So liegt Koreas Nationaleinkommen
beispielsweise um 30% unter dem OECD-Durchschnitt, doch erreichen seine
Schüler mit die besten Ergebnisse im gesamten OECD-Raum.
Eine
Reihe von Ländern erzielt ein gutes "Preis-Leistungs-Verhältnis"
in ihren Bildungssystemen, darunter Australien, Belgien, Finnland, Japan,
Kanada, Korea, die Niederlande und die Tschechische Republik, während
einige der Länder mit den höchsten Bildungsausgaben leistungsmässig
unter dem OECD-Durchschnitt liegen. (Die Daten für das Vereinigte
Königreich wurden nicht berücksichtigt, weil die Beteiligungsquoten
auf Schüler- und auf Schulebene zu niedrig waren. In PISA 2000 wurden
die Daten für die Niederlande aus dem gleichen Grund nicht einbezogen.)
Hierbei wiederum spielen ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis, die Bereitschaft der Schüler, sich anzustrengen, ihr Interesse an Mathematik und eine weniger grosse Mathematikangst sowie ein positiv wirkendes Disziplinklima eine massgebliche Rolle. In den meisten Ländern, die gute Ergebnisse vorweisen können, besitzen die Gemeindeverwaltungen und die Schulen recht weitgehende Befugnisse in Bezug auf die Festlegung von Lehrinhalten und/oder die Ressourcenallokation, und viele haben sich darauf eingestellt, heterogene Gruppen von Lernern zu unterrichten. In PISA wird die Bildungsqualität noch nach einer Reihe anderer Gesichtspunkte verglichen: Schüler, deren Eltern einen besser bezahlten Beruf ausüben,
ein höheres Bildungsniveau aufweisen und zu Hause mehr Kulturgüter
besitzen, schneiden in allen Ländern im Durchschnitt wesentlich besser
ab als Schüler, die nicht über solche Vorteile verfügen. In Bezug auf den Umfang der Leistungsabstände bestehen jedoch Unterschiede.
Australien, Finnland, Japan und Kanada zeichnen sich durch hohe Standards
sowohl in Bezug auf die Bildungsqualität als auch die Chancengleichheit
in der Bildung aus, da die Mathematikleistungen dort über dem Durchschnitt
liegen, während der Effekt des sozioökonomischen Hintergrunds
auf die Schülerleistungen zugleich unterdurchschnittlich stark ausgeprägt
ist. In Belgien, Deutschland, der Slowakischen Republik und Ungarn zeugen
die Ergebnisse hingegen von grossen sozioökonomischen Ungleichheiten
bei der Verteilung der Bildungschancen.
Während die Mädchen im Bereich Lesekompetenz in allen Ländern höhere Ergebnisse erzielen als die Jungen, sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Mathematik in der Regel gering. In den meisten Ländern befinden sich in der Gruppe der leistungsstärksten Schüler mehr Jungen, was im Durchschnitt in einem leichten Gesamtleistungsvorsprung der Jungen gegenüber den Mädchen resultiert. Unter den weniger gut abschneidenden Schülern sind die Jungen jedoch tendenziell gleich stark vertreten wie die Mädchen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind innerhalb der Schulen grösser als insgesamt. Der Anteil von Mädchen in den besser abschneidenden Schulen mit zur Hochschulreife führenden Bildungsgängen ist tendenziell höher als der der Jungen, innerhalb der Schulen erzielen die Mädchen jedoch häufig deutlich niedrigere Ergebnisse als die Jungen. Bedenklicher ist, dass die Mädchen laut eigener Aussage durchgehend weniger Interesse und Freude an Mathematik zeigen, ein geringeres Mass an Selbstvertrauen in Mathematik besitzen und mehr Angst vor diesem Fach haben, was sich nach wie vor auch in ihrer späteren Studien- und Berufswahl widerspiegelt. Sollen die Mädchen dazu ermutigt werden, sich auf einem höheren Niveau weiter mit Mathematik und ähnlichen Fächern zu befassen, müssen die Schulen mehr tun, um ihr Interesse an und ihr Selbstvertrauen in Mathematik bereits von einem frühen Alter an zu fördern. Das Mathematikinteresse der Schülerinnen und Schüler ist
im Ländervergleich wesentlich geringer als ihr Leseinteresse. In der Gruppe der OECD-Länder gab etwa die Hälfte der Schülerinnen
und Schüler an, dass sie sich für das interessieren, was sie
im Mathematikunterricht lernen, nur 38% sagten jedoch, dass sie sich mit
Mathematik befassen, weil sie Freude daran haben. Zugleich ist die grosse
Mehrzahl der Schüler aber der überzeugung, dass das Mathematiklernen
ihnen für ihre Zukunft nützen wird.
OECD, Dezember 2004 |